Direkt zum Hauptbereich

Bürger*in 2030 - Nichts zu verbergen!



Bürger*in 2030 
Eine Geschichte aus der Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit
Im Jahr 2016 schrieb ich die erste Version dieses Scripts, da ich es faszinierend fand mit welcher Leichtigkeit Menschen den Satz

“Ich habe nichts zu verbergen!”

über die Lippen bringen. Teilweise aus einer privilegierten Situation heraus, oft aus geschichtlicher Unwissenheit oder auch aus überforderter Ignoranz oder naiver Hoffnung.

Bist du dir wirklich sicher, dass du nichts zu verbergen hast?

Vielleicht gehst du öfter bei Rot über die Ampel? Fährst durchschnittlich immer ein bisschen schneller als die Höchstgeschwindigkeit? Schonmal geraucht oder fremd gegangen? Vielleicht tust du heute Dinge die in der Zukunft illegal sind und für die du zur Rechenschaft wirst, denn es werden nicht nur alle persönlichen Daten fast unbegrenzt aufgezeichnet, sondern auch mit vielen Firmen, Versicherungen und Staaten geteilt. 

Eigentlich will ich keine Angst erregenden, dystopischen Geschichten teilen, da ich lieber positive Impulse in die Welt bringen will und selbst eher utopische Wünsche für unsere Gesellschaft und den Planeten habe. Aber das Bewusstsein über menschliche und gesellschaftliche Mechaniken innerhalb bestimmter Systeme ist mir sehr wichtig und lade hiermit zu einer Diskussion ein, die gerne mit vielseitigen Perspektiven und praktischen Vorschlägen bereichert werden darf. Viel Spaß beim Zuhören des ersten Teils. (Unten ist der Text noch einmal als Transcript.)

P.S.: 2017 habe ich die erste Version des Scripts mit einem Schauspieler umgesetzt. Aber da ich so beschämt über die technische Umsetzung war, habe ich es auf einem anonymen Kanal hochgeladen. Bei großer Neugier teile ich das Video dennoch gerne.

P.P.S.: Ich glaube meine Faszination für das Thema ist die Urangst nicht mehr selbst über sich und sein Leben entscheiden zu können... Allerdings könnte man an diesem persönlichem Beispiel auch die Themen: Freiheit, Autonomie und Freier Wille einmal angehen... ,-)


TRANSCRIPT:

Staatsdienerin:
"Hatten sie jemals Geheimnisse? Oder das Bedürfnis persönliche Verhaltensweisen, Gedanken, Gefühle oder Vorlieben und Wünsche gegenüber anderen zu verbergen?"

Daniel:
"Nein. Ich habe immer alles freiwillig überall geteilt. Ich hatte nie etwas zu verbergen!" antwortete Daniel voller Stolz der Staatsdienerin, die Ihn zu einem “Interview” in das Justizzentrum der Hauptstadt geladen hatte.

"Das weiß ich. Deswegen sind wir heute, am 31.07.2030 HIER.”

Daniel saß in einem hellen, weißen Raum mit wunderschönen Animationen bunter Blumenwiesen und Schmetterlingen an den Wänden. Am Ende des zwei Meter langen grauen Tisches saß eine Staatsdienerin die abwechselnd auf Ihr Tablet - und ihm tief in die Augen schaute.

“Wie Sie wissen evaluiert unsere Gesellschaft aufgrund unseres The-Past-And-Future-Is-Now-Programms die Bürger neu. Wir wissen mittlerweile nicht nur was sie jetzt gerade tun, sondern auch was sie seit ihrem ersten Smartphone getan haben. Daher können wir zukünftiges Verhalten vorhersagen. Denn: “Der beste Prädiktor für zukünftiges Verhalten sind vergangene Taten.” ” …. 

“Die Notification über diese Maßnahmen habe ich auf meine Geräte bekommen.” - Daniel war informiert und fühlte sich gut vorbereitet für das was jetzt kommt.

“Sie haben Spiele mit Gewaltverherrlichung gegen Tiere wie Angry Birds gespielt und sich an Wochenenden exzessiven Alkoholkonsums hingegeben und geraucht. Dadurch haben Sie ihren Verstand und Körper als stabile Arbeitskraft für unsere Gesellschaft missbraucht. Zusätzlich haben Sie das Unternehmen Netflix, eine Tochtergesellschaft des Concern, um Hunderte Euro Umsatz beraubt, indem Sie sich mit insgesamt 27 Fake-Email-Adressen immer wieder einen Probemonat erschlichen haben. Aus Ihren letzten 20 Jahren Google Maps Nutzung haben wir nachträglich errechnet, dass Sie im Durchschnitt 6 Km/h schneller als die Höchstgeschwindigkeit gefahren sind. Als Fahrradfahrer und Fußgänger sind Sie in 36% der Fälle bei Rot über die Straße gegangen. ”

“Ja. Und ich sehe meine Fehler aus der Zeit der Nicht-Selbstfahrenden-Verbrennungsmotoren ein und möchte 25% meines Gehalts für Angehörige von Algorithmisch-bedingten Todesopfern im autonomen Straßenverkehr spenden.”

Die Staatsdienerin schaute ihn regungslos an und neigte ihren Kopf leicht nach unten, ohne ihn aus den Augen zu verlieren. 


“Sind Sie jemals fremdgegangen?


“Nein. Also. Nicht wirklich.”

“Laut ihrer Smarphone-Ortsdaten sind Sie am 1. Januar 2020 mit Elisabeth Meier, Morgens um 4:22 Uhr nach Hause gegangen und hatten Sex miteinander, obwohl ihr damaliger Beziehungsstatus auf Facebook “In einer Beziehung” war.”


“Ich war mit meiner damaligen Freundin quasi gar nicht mehr zusammen…”

“Ihr One-Night-Stand Elisabeth schrieb danach ihrer besten Freundin auf Whatsapp: “OMG. Ich hatte gerade den schlechtesten Sex meines Lebens. Prosecco & Pizza?”


Daniel blieb das Herz stehen. Dass der Staat alles weiß, war das eine - aber dass er erst jetzt den wahren Grund erfuhr warum Elisabeth sich nie mehr bei ihm meldete, schmerzte ihn überraschenderweise 10 Jahre später noch. Er dachte immer er wäre ein guter Liebhaber gewesen und die Frauen einfach noch nicht bereit für ihn. 


Die Staatsdienerin unterbrach seine Gedanken und fuhr mit der Anklage fort:


“Dank Ihres Fitnessarmbandes können wir sogar nachvollziehen auf welche Art und Weise Sie Sex hatten. Wie ich der Verlaufskurve hier vor mir entnehmen kann, waren Sie sehr beeinflusst von den Trailern des damaligen Youporn Premium Angebots. …….. ……. 
Naja, zu welchen Ergebnissen das geführt hat, wissen wir ja… “


Daniel fühlte sich ertappt und beschämt. Zu gern würde er all dies im Verborgenen wissen. Oder wenigstens das Gesicht in seinen Händen verbergen. Doch er konnte nicht einmal dem fesselnden Blick der Staatsdienerin ausweichen und fühlte sich nackt und ausgeliefert vor ihr.

“Auf Whatsapp haben Sie während der Covid-19 Pandemie extrem dynamische Meinungen vertreten. Sie ändern ihre Perspektive oft.
Erst war Corona für Sie ein Witz und sie haben es mit einer “harmlosen Grippe” verglichen und gemeint, dass wäre “die nächste Seuchensau die durchs Dorf getrieben wird”. 
Obwohl Sie selbst mit eindeutigen Symptomen für über eine Woche im Bett lagen, sind Sie trotz besseren Wissens in einen Supermarkt einkaufen gegangen, obwohl Sie genug Hilfe von Freunden angeboten bekommen haben. Dabei haben Sie weitere Bürger infiziert. 


“Ich habe damals vor 10 Jahren jemanden angesteckt?” - Daniel wurde langsam heiß in dem wohltemperierten Raum seines Interviews.


“Aufgrund Aller gesammelten Smartphone-Ortsangaben und ihres persönlichen Smartphone-Verhaltens konnten wir Infektionswege von damals rekonstruieren. Sie haben insgesamt 147 Menschen infiziert bis die Übertragunskette gestoppt werden konnte. 25 Menschen hatten einen schweren Krankheitsverlauf und weitere 6 sind am Virus oder an den Folgen der Erkrankung gestorben. Wie fühlen Sie sich dabei, wenn Sie dies heute hören?”

“Ääh…. Ich bin geschockt. Das tut mir….”

“Gefühle und Entschuldigungen sind jetzt irrelevant. Wir können heute, 10 Jahre später, mit den damals erhobenen Daten alles genauestens rekonstruieren und Sie haben bewusst Fehler begangen.”


“Mein Hausarzt meinte es sei ein Infekt und ich solle einfach Zuhause bleiben. Das war doch nur noch ein abhusten damals. Ich war bestimmt nicht mehr ansteckend.”


“Ihren Hausarzt habe ich nächste Woche hier sitzen.” 

Daniels Augen wurden größer…


“Ich bin doch ein guter Bürger. Ich möchte einfach nur meine Aufgaben des Concern (Konzern) erledigen und dann Zuhause in meiner virtuellen Realität leben. Darf ich jetzt gehen…?”


“Sie sind sehr dynamisch in ihren Gedanken, Meinungen und Gefühlen. Nicht konsistent. Man könnte geradezu sagen: sprunghaft.”


“Aber das war doch damals…. Ich habe mich doch geändert…”

“Auf den Nachrichten-Apps Whatsapp und Telegram haben Sie Verschwörungstheorien geteilt, sind wild über Politiker hergezogen und ....”

“Das waren Memes. Die waren ironisch gemeint. Sie wissen doch - lustig. ….. 
Ich will einfach nur arbeiten, meinen Shake trinken und Zuhause Fernsehen. Wie Alle. Verstehen Sie?”

  • Wie findest du diese Vorstellung dieser möglichen Zukunft? 
  • Wie könnte diese Geschichte weitergehen? 
  • Und welche Zukunft wünschst du dir?

Kommentare

  1. Als hättest Du die Agenda 2030 gelesen. Bleib wachsam. Wir sind schneller an diesem Punkt als uns lieb ist. Dank Corona...

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen